Rezensionen

Hier sammeln wir Eindrücke von Büchern, die wir gelesen haben.

Mellopolis `48. Eine Reportage

Den ersten Teil des Buches stellt eine Reportage aus der „Stadt der Zukunft“ dar. Zu dieser Zeit, also im Jahr `48, ist die Revolution schon vorbei und der Besucher kann berichten, wie sich der Autor die Welt danach vorstellt, wie die Menschen ihr Leben organisieren, welche Art direkte Demokratie
sie entwickelt haben. In einem zweiten Teil werden die „politisch-philosophischen Grundlagen“ der in der Reportage vorgestellten Konzepte vorgestellt. […] Die vorgestellte Utopie, davon geht der Autor aus, ist „sozialistisch“ und kann „auch als anarchistisch bezeichnet werden“. Im Gleichklang mit den sozialen Zielen werden auch die ökologischen Probleme gelöst – durch ein „ökosozialistisches Degrowth“. […] Gerade angesichts der ökologischen Probleme wird immer wieder die Frage gestellt, wie ein materielles Degrowth mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedigung verbunden werden kann. Hier schöpft der Autor aus marxistischen Debatten über die Bedürfnisentwicklung.

Das utopische Reich. Frieden durch Kommunismus

Das neue Verwaltungssystem kümmert sich nur um eine gerechte Verteilung nach Bedarf. Verteilung von was? Wo kommt das her, was verteilt werden soll? Mich beschleicht das Gefühl, dass dieses Konzept genau die Verleugnung des Materiellen in den letzten Jahrzehnten spiegelt. Und die
Erfahrung einer Generation, in der das Materielle eigentlich im Überfluss da ist und es so scheint, als bestünde das Problem nur in der
Verteilung. In der – zumindest in privilegierten Bereichen – niemand mehr darüber nachdenken muss, wer die Produktionsmittel besitzt, wer deshalb auch alle hergestellten Produkte besitzt. Wie soll über deren Verteilung mit dem neuen utopischen System entschieden werden, wenn die neue Bewegung gar nicht über diese Produkte verfügen kann? Sie will es auch gar nicht, denn explizit wird geschrieben: „Das Utopische Reich verlangt von niemandem, etwas aufzugeben. Es gibt keine Enteignung und keine Gleichmacherei.“ Das Ganze hängt also völlig in der Luft.

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Roter Mars, Grüner Mars, Blauer Mars, Weißer Mars

Anhand der brennenden Fragen entwickeln sich Institutionen und ein kompliziertes Machtgeflecht. Einige der Mächtigen leiden selbst darunter, daß sie Entscheidungen auf eine Weise treffen müssen, die sie eigentlich nicht verantworten wollen. Aber es ist auch noch nicht entschieden, daß sich nur wieder eine Form von Herrschaft entwickelt. Es gibt keine perfekte „Friede-Freude-Eierkuchen“-Lösung, sondern immer wieder ein ständiges Aushandeln von Interessen innerhalb der Möglichkeiten. Am genialsten sind Lösungen, bei welchen die Möglichkeiten so verändert werden, daß die Interessen einander nicht mehr entgegenstehen brauchen. Das Terraformen wird auf sanftere Formen umgestellt. […] Indem sie durch einen Wirtschaftscrash auf der Erde die Raumfahrtverbindung zum Mars einstellen lassen, gewinnen die Menschen dort einen Freiraum zum Experimentieren. Sie entdecken die Symbiose von Flechten und Pilzen als Beispiel für fruchtbare Kooperationen. Dementsprechend gestalten sie Leben und Wirtschaft um. Alte Denkbarrieren werden beseitigt – dazu gehören falsche historische Denkweisen, der Anthropozentrismus, der fehlerhaften Veröffentlichung von Meinungen und der Kluft zwischen Arm und Reich. An dieser Stelle werden die Darstellungen von Aldiss und Penrose ziemlich plakativ. Sie versuchen, eine umfassende Philosophie der Problemlage auf der Erde zu erstellen und auf dem Mars die Alternative dazu denkbar zu machen. Inhaltlich streifen ihre Darstellungen zwar Symptome, zielen aber nicht weit genug in Richtung der kapitalistischen wertförmigen Vergesellschaftung als struktureller Grundlage der katastrophalen Entwicklungen. In der Darstellung leidet der Unterhaltungswert und auch die Lebendigkeit des Geschehens unter dem etwas belehrendem Stil.

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Pfade durch Utopia

In der Freihandelszone Zrenjanin in Serbien fanden die beiden Reisenden auf utopischen Pfaden ebenfalls noch Orte, die wie der Heimatort von Asterix und Obelix „sich noch mit Erfolg widersetzen“. So widersetzten sich die Arbeiter_innen der pharmazeutischen FabrikvJugoromedija der Privatisierung und mit ihren Erfahrungen halfen sie auch der Belegschaft eines anderen Betriebes, sich dagegen zu wehren. Hier gibt’s doch so etwas wie sozialistisches Eigentümerbewusstsein: „Wir haben diese Fabrik aufgebaut, sie gehört uns, nicht, weil wir irgendwann ein paar Aktien gekauft hätten, nein, weil wir hier jeden Tag gearbeitet haben. Dieses Werk ist das Ergebnis unserer harten Arbeit in den sozialistischen Jahren.“ […] So sehr diese Berichte auch besten anarchistischen Geist widerspiegeln, so beinhalten sie auch die Erfahrung der Notwendigkeit der Aneignung der wesentlichen Ressourcen und Produktionsmittel, die letztlich für marxistisches Denken prägend ist. Die wichtigsten Entwicklungsmittel werden vielleicht auch gar nicht enteignet werden (weil die Kapitalisten sie sowieso nicht besitzen: was sie besitzen, erweist sich mehr und mehr als Destruktionsmittel) – sondern sie werden neugeschaffen werden (müssen).

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Metatropolis

Die neue Ökonomie „ist eine Reputationsökonomie, unterstützt durch den Tausch von Arbeit gegen Sachwerte, ohne die Vermittlung durch staatliche
Institutionen oder Kapitalmärkte.“ (Lake) Die Koordination der Menschen basiert auf anarchischen Prinzipien, welche durch die Dezentralisierung ermöglicht werden, ohne dass dabei Produktivität verloren gehen muss. […] Die sozial-utopische Fiktion ist hier an vielen Stellen realistischer als manche Konzeption, die heute gerne ausgebrütet wird. Das Neue kommt nicht strahlend-unschuldig und perfekt zur Welt, es trägt die Geburtsmale des alten bzw. es beruht auf Aufwänden, für die zuerst nur freiwillige Arbeitsbeiträge vielleicht nicht ausreichen. In der einen schon genannten Erzählung führt das bis ins Extrem des Arbeitszwangs.

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